GKIND9

Umgang mit Hierarchien in indischen Unternehmen

Indische Unternehmen kennen eine höchst differenzierte Abstufung von unterschiedlichen Rängen und Verantwortlichkeiten, wobei grundsätzlich immer gilt, dass alle Entscheidungen top-down getroffen und ebenso von oben nach unten kommuniziert werden. Der jeweils Verantwortliche hat die Aufgaben und einzelnen Arbeitsschritte an seine Mitarbeitenden weiterzugeben und unmissverständlich anzuordnen, was wann wie von wem getan werden muss. Wenn es für Expatriates noch relativ einfach ist, sich an diesen hierarchischen top-down-Führungsstil zu gewöhnen, tun sich viele schwer damit, kein Feedback und auch keine Optimierungsvorschläge von den Mitarbeitenden zu bekommen. Will man als Unternehmen eine Kultur fördern, die es jedem abverlangt, eigenverantwortlich zu denken und zu handeln, muss diese Haltung konsequent vorgelebt und praktiziert werden. Dafür ist es wichtig, Mitarbeitende explizit aufzufordern, Feedback zu geben und Verbesserungsvorschläge einzubringen. Diese Bemühungen sollten entsprechend gewürdigt und honoriert werden. Nur so lernen die Mitarbeitenden, dass sich Mitdenken auf allen Verantwortungsstufen lohnt und tatsächlich als Baustein der Unternehmenskultur gewünscht ist. Einfach darauf zu vertrauen, dass die Mitarbeiter aufgrund ihrer fachlichen Expertise und ihres Eingebundenseins in den Geschäftsprozess wissen, was genau zu tun ist, ist wenig erfolgreich. Diese Erwartungshaltung läuft nämlich konträr zur kulturellen Prägung einer hierarchisch verfassten Gesellschaft, die ein Erziehungs- und Ausbildungssystem entwickelt hat, das nur zu einer beständigen Reproduktion des Wissens trainiert, anstatt eigenständiges Denken zu fördern. Hinzu kommt das Verständnis, dass allein der "Guru" (der Lehrer) derjenige ist, der Verantwortlichkeiten zuweist und in seinem Handeln durch eine genaue Kopie zu wiederholen, nicht aber durch Innovation zu übertreffen ist.

Irritierend ist für viele Expatriates, dass die Jobbeschreibungen mit fixen Aufgaben umschrieben sind, über die hinaus kaum jemand bereit ist, tätig zu werden. Während es zur westlichen Businesskultur gehört, dass auch mal der Chef Kaffee kocht oder bei einem Meeting hilft, das Geschirr abzuräumen, käme in Indien niemand in einer solchen Position auch nur auf die Idee, dies zu tun. Dafür hat man schließlich seine Leute. Und so mancher Expatriate, der von seiner indischen Sekretärin erwartet, dass sie ihm den Kaffee kocht, wird merken, dass das nicht ihre Zuständigkeit ist. Dafür gibt es "Chai-Wallahs". Jungen oder Männer, die ihren Lebensunterhalt mit Tee- bzw. Kaffeekochen verdienen.

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