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Zwischen Herd und Schreibtisch

Die Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben ist in Polen, angesichts der Dominanz des traditionellen Ehe-Modells, in dem der Mann nur einige Pflichten im Haushalt übernimmt, weiterhin eine Herausforderung. Innerhalb der letzten fünfzehn Jahre hat sich jedoch das Familienmodel stark verändert. Laut den CBOS Umfragen 2012 ist heutzutage fast die Hälfte der Polen davon überzeugt, dass das partnerschaftliche Modell besser als das traditionelle Modell ist. Vor fünfzehn Jahren waren nur 37 Prozent dieser Überzeugung. Das traditionelle Modell, nach dem der Mann für die finanzielle Sicherheit der Familie sorgt und die Frau sich um den Haushalt kümmert, findet deutlich weniger Akzeptanz (knappe 40 Prozent 1997 versus 22 Prozent 2012). Mehr als jede vierte Person ist davon überzeugt, dass das Zweiverdienermodell (gemischtes Modell, beide Partner sind berufstätig, aber die Frau kümmert sich um den Haushalt und verzichtet auf den beruflichen Aufstieg), die optimale Lösung ist. Die Angaben spiegeln jedoch nicht die Realität wider, sondern zeigen die Wunschvorstellung, was das Familienmodell betrifft.

Vor allem das Zweiverdienermodell, wenn der Mann Vollzeit arbeitet und die Frau Familien- und Berufsleben vereinbart, ist in Polen dominant. Allerdings arbeiten die meisten Polinnen Vollzeit. Lediglich jede zehnte Frau kann es sich leisten, Teilzeit zu arbeiten oder ein Dreiviertel-Stelle anzunehmen. Erstens spielen die finanziellen Gründe eine entscheidende Rolle, zweitens die aktuelle Lage der Beschäftigungsarten auf dem Arbeitsmarkt. Polen ist EU-führend in der Vergabe von befristeten Arbeitsverträgen und Arbeitsaufträgen (umowa zlecenie). Damit stark verbunden ist eine Unsicherheit hinsichtlich des eigenen Arbeitsplatzes. Genau diese Formen kommen jedoch bei den meisten Frauen in Frage, wenn sie Teilzeit arbeiten möchten. Somit haben die Frauen die Qual der Wahl, entweder Vollzeit mit einem unbefristeten Vertrag oder Teilzeit mit der Unsicherheit, dass der Vertrag jederzeit gekündigt oder nicht verlängert wird. Aus diesem Grund konzentrieren sich die meisten Frauen darauf, nach der Geburt eines Kindes so schnell wie möglich ins Berufsleben zurückzukehren und Vollzeit zu arbeiten. Nur einzelne Frauen nehmen den Erziehungsurlaub in Anspruch, damit sie zu bestehenden Konditionen an den Arbeitsplatz zurückkehren können.

Nach wie vor kümmern sich viele Frauen nicht nur um den Nachwuchs, sondern auch um Senioren und kranke Familienmitglieder. Viele sind der Meinung, es wäre eine Schande, die älteren Menschen "abzuschieben". Altersheim oder betreutes Wohnen kommen für die Mehrheit der Polen nicht infrage. Was die organisatorischen Lösungen betrifft, ist Polen auf die Alterung der Gesellschaft kaum vorbereitet.

Polnische Geschäftsfrauen machen allerdings darauf aufmerksam, dass bei der Beurteilung der Arbeit beider Geschlechter nach wie vor andere Standards gelten. Frauen müssen sich ständig behaupten, bei gleicher Qualifikation und gleicher Verantwortung verdienen sie immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen.  Sie werden nicht nur meritorisch, sondern auch im Bezug auf ihre Weiblichkeit beurteilt. Von einer Frau in Polen wird erwartet, dass sie "Frau bleibt" und Entscheidungsstärke sowie Verhandlungskompetenz mit Weiblichkeit rüberbringt.

Leider ist es unmöglich, Neugründungen durch Frauen in Polen zu zählen, sowie den Anteil der Frauen am Bruttoinlandsprodukt zu schätzen, weil Informationen im Regon (eine neunstellige Identifikationsnummer, die jedes Wirtschaftssubjekt erhält - Numer identyfikacyjny Rejestr Gospodarki Narodowej) - das Geschlecht der Person nicht beinhalten.

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